Kastration
Der Mensch entscheidet nicht nur über Leben und Tod eines Tieres, sondern auch darüber, ob es ein Sexualleben haben darf oder nicht. Die einfachste Lösung, sagen zumindest Tierärzte (sie verdienen auch Geld damit), ist die Kastration. Rüden sind einfacher im Umgang (man erspart sich das Training), Hündinnen leben dank Frühkastration länger, man muss während der Läufigkeit nicht aufpassen und keine 'Tröpfchen' wegputzen.
Geschlechts- und andere Organe produzieren Hormone, die unter anderem für das physische und psychische Wohlbefinden verantwortlich sind. Hormone sind Steuerelemente, die ein Lebewesen braucht. Natürlich leben Hunde auch ohne ihre Geschlechtsorgane, es fragt sich jedoch wie. Rüden werden von ihren vollwertigen Geschlechtsgenossen und auch von Hündinnen nicht mehr als Rüden angesehen, sondern als etwas Aehnliches wie Hündinnen. Hündinnen können übermässig viel Unterwolle bekommen und die Funktionstüchtigkeit des Blasenschliessmuskels, der ebenfalls durch Hormone gesteuert wird, kann nachlassen, was bedeutet, dass die Hündin Urin verliert und ein Leben lang Tabletten nehmen muss. Sexualhormone lassen ein Tier seelisch wachsen und reifen. Wurde ein Tier früh kastriert, bevor es erwachsen ist, kann dieser Prozess nicht mehr stattfinden. In einer englischen Blindenführhundeschule wurde übrigens während zehn Jahren die Frühkastration bei Hündinnen (vor der ersten Läufigkeit) praktiziert. Sie wurde wieder aufgegeben, weil sich ein grosser Teil der Hündinnen nicht für die ihnen zugedachte Arbeit eignete. Wo kein erwachsenes Seelenleben vorhanden ist, ist offensichtlich auch kein zuverlässiges Arbeiten möglich. Ein grosses Argument der Kastrationsfreunde ist natürlich die unkontrollierte Vermehrung von Hunden und deren Endstation im Tierheim. Es gibt jedoch nicht zu viele Hunde, weil zuwenig kastriert sind, sondern weil es zuviele verantwortungslose Hundehalter gibt. Für den Hund ist es nicht grausam, wenn er zwar intakt ist, aber kein Sexualleben haben kann. In Wolfs- oder Dingorudeln und bei Wildhunden paaren sich in der Regel nur die ranghöchsten Tiere und haben Nachwuchs, die anderen Rudelmitglieder können damit leben. Wir haben die Verantwortung für unseren Hund, in jeder Beziehung. Ich, für mich, möchte keinen "halben", abgestumpften Hund, dem nur noch das Fressen Freude macht, ich möchte einen vollwertigen und erwachsenen Hund! Jedes Lebewesen auf dieser Erde strebt danach, sich (seelisch) zu entwickeln, warum sollten wir unserem besten Freund diese Chance nehmen?
Kastration von Rüden:
Kastration ist die Entfernung der männlichen Keimdrüsen (Hoden), die Sterilisation hingegen ist die Durchtrennung der Samenleiter, d.h. die Hoden bleiben am Rüden!
Die Kastration des Rüden wird aus medizinischen Gründen z.B. bei Entzündungen und Tumore im Bereich der Hoden oder Entzündungen und Tumore im Bereich der Prostata durchgeführt. Aber auch bei aggressiven Rüden kann durch die Kastration das durch andere männliche Artgenossen ausgelöste Dominanzverhalten reduziert werden.
Die Gründe, weswegen ein Tierbesitzer seinen Rüden kastrieren lassen will, sind sehr verschieden: Für viele Besitzer ist beim geschlechtsreifen Rüden das Urinmarkieren im Haus unangenehm, auch die Suche nach läufigen Hündinnen oder das ständige Jaulen/Jammern bei läufigen Hündinnen, die sich in der Nähe befinden. Dieses Verhalten ist aber natürlich und wird durch die Keimdrüsen erzeugt, vielmehr durch das Testosteron, das dort gebildet wird. Eine Kastration kann diese dadurch bedingten Verhaltensäußerungen reduzieren.
Der Rüde ist in der Regel mit höherer Aggressivität ausgestattet als die Hündin, eine Kastration bewirkt aber nicht eine generelle Aggressionsabnahme, sondern es wird die Aggression gegenüber anderen Rüden reduziert. Andere Arten der Aggression (gegenüber Menschen oder Hündinnen) wird durch die Kastration nicht beeinflußt. Hier muß und sollte eine verhaltenstherapeutische Maßnahme durch den Tierarzt/Tierärztin mit dem Besitzer stattfinden.
Die meisten Probleme bei Aggressionen sind durch Fehler des Menschen (Halter) bedingt, eine Kastration wäre so natürlich eine "einfache" Art, dieses selbstgeschaffene Problem zu beseitigen. Dies ist aber nicht möglich, hier muß der Fehler in der Tierhaltung/-erziehung durch eine Therapie mit dem Tierarzt/Tierärztin zusammen korrigiert werden. Ob der Rüde durch eine Kastration in seinem Aggressionsdrang zu entschärfen ist oder ob eine verhaltenstherapeutische Therapie angezeigt ist, muß der Tierarzt/die Tierärztin im Einzelfall entscheiden.
Die Kastration beim Rüden wird nicht routinemäßig wie beim Kater durchgeführt. Der Kater besitzt in der Regel viel mehr Freigang als der Rüde und stellt durch Rangkämpfe und Ähnliches eine Gefahr für sich und andere Tiere dar. Außerdem vermehrt er sich rasend. Hier ist eine Kastration aus populationsreduzierenden Gründen angezeigt. Beim Hund ist dies nicht der Fall; er streunt sehr viel seltener als der Kater, weil er meist im Haus gehalten wird und nur "bewachten" Ausgang genießt.
Um noch einem Vorurteil zu entkräften: Rüden werden nach der Kastration nicht automatisch fett, faul und ruhig. Vielmehr ist der Stoffwechsel beim kastrierten Rüden verändert und er nimmt eher zu als früher, aber das ist durch entsprechende Ernährung und Bewegung vermeidbar.
Kastration von Hündinnen:
Bei der Hündin bedeutet Kastration die Entfernung der Keimdrüsen (Eierstöcke) mit der Gebärmutter; die Sterilisation hingegen ist die Durchtrennung der Eileiter.
Bei der Hündin stehen die medizinischen Gründe für eine Kastration im Vordergrund. Die Kastration wird zur Verhinderung von Tumoren in der Milchleiste (Mammatumoren) eingesetzt, dies ist aber nur sinnvoll bei Kastrationen vor der zweiten Läufigkeit. Die Gefahr besteht aber dabei, daß Hündin zu früh operiert werden und nie die typischen Körperausprägungen der erwachsenen Tiere dieser Rasse zeigen (juveniles "welpenhaftes" Aussehen). Auch die Lernfähigkeit soll bei Kastrationen vor der ersten Läufigkeit reduziert sein, obwohl die Gefahr, an Mammatumoren zu erkranken, danach sehr gering ist. Die Kastration nach der zweiten Läufigkeit soll hingegen keinen Einfluß auf Verringerung der Tumorbildung haben. Auch der spätere Wunsch des Halters nach Nachkommen der Hündin ist dann nicht mehr möglich.
Die Kastration der Hündin wird auch zur Verhinderung einer Gebärmuttervereiterung (Pyometra) durchgeführt, vor allem, wenn schon eine bestehende Gebärmutterentzündung vorliegt. Diese entsteht dadurch, daß durch den geöffneten Muttermund zu Ende der Läufigkeit Bakterien in die Gebärmutter eindringen können. Diese können sich dann ungehindert vermehren, weil der Muttermund sich nach ein paar Tagen wieder schließt. Die Bakterien vermehren sich rasend zu einer eitrigen Masse und geben dabei Giftstoffe in den Körper ab, die zur Blutvergiftung führen können. Für den Besitzer ist meist nur Mattigkeit und erhöhter Durst sichtbar. Manchmal öffnet sich auch der Muttermund und kleine Portionen Eiter sind für den Besitzer sichtbar. Bei rechtzeitigem Erkennen einer Pyometra kann noch gut therapeutisch eingegriffen werden. Im späteren Stadien ist die Gebärmutter so prall gefüllt, daß nur noch die Kastration mit Entfernung der Gebärmutter helfen kann. Manchmal platzt aber auch die überfüllte Gebärmutter auf und es entsteht eine eitrige Bauchfellentzündung, diese ist meist lebensbedrohlich für die Hündin.
Auf die in der Regel zweimal pro Jahr vorkommenden "Besuche" von Rüden durch attraktive Duftstoffe der Hündin sollte schon vor dem Hundekauf durch den Züchter oder den Tierarzt/Tierärztin (wenn er/sie überhaupt um Beratung gefragt wird) hingewiesen werden.
Die Psyche der Hündin kann sich leicht durch die Kastration verändern, dies ist vor allem bei ängstlichen und nervösen Hündinnen der Fall. Diese werden selbstbewußter, konzentrierter und zum Teil auch ausgeglichener.
Die kastrierte Hündin kann, genauso wie der kastrierte Rüde, an Gewicht durch geänderten Stoffwechsel zulegen, dies kann man aber durch Bewegung und ausgewogenes Futter gut vermeiden. Bei der kastrierten Hündin kann es manchmal auch zum Harnträufeln (Inkontinenz) kommen, dies ist aber meist nicht so stark ausgeprägt und beschränkt sich auf wenige Male im Jahr. Der Tierarzt/die Tierärztin können beim Vorliegen von Harnträufeln medikamentös (hormonell) eingreifen und dies therapieren.
Ach so, die Rüdenbesuche bleiben jetzt allerdings aus (ausser man holt sie sich selber ins Haus!), die kastrierte Hündin ist ja nicht mehr attraktiv (Männer!).