Wenn wir einen notfallbetroffenen Hund finden, versuchen wir herauszubekommen, welche
Störungen vorliegen. Dabei interessieren uns zu allererst die auf Seite 3 genannten Organe und Funktionen, alle anderen Arten von Verletzungen etc. sind jetzt erst einmal zweitrangig.
Um den Hund zu untersuchen, müssen wir uns erst einmal dem Hund nähern. Ein Hund kann allerdings in einer solchen Situation anders reagieren, als ein Mensch es tun würde. Es kann passieren, dass ein sonst friedlicher Hund sogar sein eigenes Herrchen beißt, wenn er verletzt oder akut erkrankt ist.
Um uns selber zu schützen, legen wir dem Hund vorsichtshalber einen Maulkorb an. Wenn wir keinen Maulkorb zur Verfügung haben, können wir uns in Sekundenschnelle einen provisorischen Maulkorb aus einem Dreiecktuch oder unserer Hundeleine basteln. Dazu wird das Dreiecktuch zu einer sogenannten Krawatte gedreht und eine Schlaufe hineingeschlagen. Diese Schlaufe wird mit dem Knoten nach unten um die Hundeschnauze gelegt und hinter dem Kopf zusammengeknotet.
Hierbei und bei allen anderen Tätigkeiten sollten wir vorsichtig und beschwichtigend auf den Hund einreden, um ihn zu beruhigen und ihm ein Gefühl der Geborgenheit zu geben.
Erst dann folgt die eigentliche Erste Hilfe:
1. Bewußtseinskontrolle ‑ Ist der Hund bewußtlos oder nicht?
Wir sprechen den Hund an, reagiert er nicht, fassen wir ihn vorsichtig an und schütteln ihn ein wenig, reagiert er immer noch nicht, können wir zusätzlich einen kleinen Schmerzreiz auslösen, z.B. indem wir vorsichtig in die Pfote kneifen, reagiert er jetzt immer noch nicht, müssen wir davon ausgehen, dass der Hund bewusstlos ist. Jetzt muß die Kontrolle der Atmung erfolgen. Reagiert der Hund noch, ist er nicht bewusstlos und hat somit auch noch eine funktionierende Atmung und wir können uns anderen Dingen, wie z.B. Verbänden, Schockbekämpfung o.ä. widmen ( hierzu später).
2. Atmung ‑ Atmet der Hund oder nicht?
Vor der Atemkontrolle müssen wir uns überzeugen, daß die Atemwege des Hundes nicht durch Fremdkörper verlegt sind, dazu öffnen wir den Fang und schauen hinein. Entdecken wir einen Fremdkörper, müssen wir ihn mit den Fingern entfernen oder unter zur Hilfenahme einer sogenannten Magill‑Zange (in Apotheken erhältlich) verwenden, mit der man weit in den Rachen hineingelangen kann. Weiter als zum Kehlkopf kann ein grösserer, fester Fremdkörper nicht gelangen, hier liegt die engste Stelle der Luftröhre. Kleinere Fremdkörper können bis in die Bronchiolen gelangen, hier aber nur vom Tierarzt entfernen lassen. Flüssige Fremdkörper (Erbrochenes, Blut) entfernen wir mit einem Tuch. Bei dieser Aktion kann der Hund uns nicht verletzen, denn er ist ja bewußtlos.
Die Atemkontrolle: durch Sehen:
hebt und senkt sich der Brustkorb des Hundes? (Atembewegung)
-durch Fühlen: eine Hand auf den Brust/Bauch‑Bereich legen, spürt man die Atembewegung? Eine Hand vor die Nase legen, spürt man den Atemzug?
‑durch Hören: Ohr vor die Nase legen, hört man den Atemzug?
Hierbei stellt man fest: entweder der Hund atmet oder er atmet nicht.
Wenn der Hund noch atmet, legen wir ihn auf eine Seite, öffnen das Maul und lassen die Zunge heraushängen und beobachten ihn weiterhin auf Atmung und Puls. Zusätzlich könnte man eventuelle Wunden versorgen.
3. Kreislaufkontrolle
Wenn der Hund nicht atmet, kontrollieren wir den Kreislauf. Dazu fühlen wir den Puls des Hundes (besser Herzspitzenstoss – Ellbogen – 5. Rippe). Der Puls gibt den Herzschlag an. Beim Hund wird der Puls nicht wie beim Menschen am Handgelenk oder am Hals gefühlt, sondern man fühlt den Puls in der Leiste des Hundes. Dazu wird ein Hinterlauf angehoben und man drückt am besten vier Finger einer Hand in die Leiste. Ist der Puls vorhanden, fühlt man ihn jetzt hier pochern. Hat der Hund keine Herztätigkeit mehr, fühlt man keinen Puls.
Je nach Hunderasse und -alter sollte der Ruhepuls etwa 80-120 Schläge pro Minute betragen. Welpen können einen Puls von über 200 haben.
Hat der Hund noch einen Herzschlag, müssen wir ihn jetzt beatmen, hat er keinen Herzschlag - Wiederbelebung.
Die Wiederbelebung
Liegen ein Atemstillstand und ein Herzstillstand vor, kann man versuchen, diesen Zustand durch eine Wiederbelebung abzuwenden. Da man aber beim Hund keine Folgemassnahmen wie beim Menschen durchführen kann (Rettungsdienst, Krankenhaus, Rehabilitationsklinik, muss man abschätzen, inwieweit sich eine Wiederbelebung für den Hund "lohnt". Ist das Hirn länger als 3‑5 Minuten ohne Sauerstoffversorgung, sterben bereits die Hirnzellen ab, führt man also die Wiederbelebung nicht sofort nach dem Herzstillstand durch, muss man bei einer geglückten Wiederbelebung doch noch mit Folgeschäden beim Hund rechnen.
Bei alten, schwer verletzten, oder schwer erkrankten Hunden würde ich von einer Wiederbelebung abraten, bei einigen Vergiftungen (z.B. Kohlenimonoxid oder beim Ertrinkungsunfall , Stromschlag aber hat man recht gute Chancen, den Hund beim rechtzeitigen Eingreifen erfolgreich wiederzubeleben.
Die Wiederbelebung besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen: der Beatmung und der Herzdruckmassage.
Beatmung:
Ein Hund atmet etwa 10-20x pro Minute, also müssen wir ihm etwa 10-20x pro Minute (ca. alle 6 Sek.) unseren Atem spenden. Da die Mund zu Mund‑Beatmung anatomisch nicht möglich ist, beatmen wir ihn durch die Nase, dazu müssen wir seine Schnauze fest umschließen, damit die eingeblasene Luft nicht wieder aus der Schnauze entweichen kann. Mit unserem Mund umschließen wir fest die Nase des Hundes und blasen unseren Atem fest in seine Nase, hierbei müssen wir die Nase des Hundes vollständig in den Mund nehmen, aus hygienischen Gründen kann man ein dünnes Papiertaschentuch, besser ein spezielles Beatmungstuch über die Nase legen. Dieses Tuch lässt die Luft, aber keine Flüssigkeiten durch.
Bei besonders kleinen Hunden kann man die Mund zu Nase‑Schnauze‑Beatmung durchführen, dabei umschließen wir mit unserem Mund fest Schnauze und Nase des Hundes und blasen unseren Atem vorsichtig hinein.
Je nach Hundegröße muß man abschätzen, wieviel Luft man dem Hund spendet, bei einem kleinen Hund reicht pro Beatmung ein" Mund‑voll", bei grossen Hunden benötigt man schon ein gesamtes Lungenvolumen.
Fehler:
Zuwenig beatmet ‑ keine ausreichende Sauerstoffversorgung des Hundes
Zu stark beatmet ‑ wenn die Lunge "voll" ist, strömt die zuviel gespendete Luft in den Magen, dies kann zu Erbrechen führen.
Herzdruckmassage
Bei der Herzdruckmassage versuchen wir, durch Drücken des Brustkorbes das Herz zu komprimieren, so dass eine künstliche Pumpwirkung des Herzen entsteht, diese ist natürlich längst nicht so effektiv wie die natürliche Pumpleistung des Herzens. Einen kleinen Hund legen wir auf eine harte, flache Unterlage und halten ihn mit einer Hand so fest, dass er auf dem Rücken liegt. Dann legen wir unseren Daumen und Zeigefinger links und rechts auf dem Brustkorb und drücken ihn in Höhe der 5.Rippen etwa 1‑2 cm tief ein. Da wir etwa 100x pro Minute ( Ruhepuls des Hundes) drücken müssen, entspricht dies einer Geschwindigkeit von 2x Drücken pro Sekunde! Da wir große Hunde nicht mit einer Hand auf dem Rücken liegen lassen können, legen wir große Hunde auf die rechte Seite und drücken den Brustkorb in Höhe der 5. Rippen (Höhe des Ellenbogen des Hundes). Dazu legen wir einen Handballen auf und drücken mit durchgedrückten Armen senkrecht von oben. Dazu hocken wir am besten hinter dem Hund. Bei großen Hunden drücken wir etwa 4 cm tief. Als Unterlage eignet sich hier am besten der Boden.
Da wir bei der Wiederbelebung Beatmung und Herzdruckmassage kombiniert durchführen müssen, wechseln wir beide Maßnahmen ab, d.h. wir beatmen 2x, drücken 10x, beatmen 2x, drücken 10x und so weiter... Zwischenzeitlich prüfen wir immer wieder Puls und Atmung, denn wir wollen ja erreichen, dass diese Funktionen wieder einsetzen. Haben wir nach 10 Minuten keinen Erfolg erzielen können, müssen wir uns damit abfinden, dass der Hund tot ist.
Fehler:
immer sofort nach Herzstillstand mit den Maßnahmen beginnen!
zu tief gedrückt ‑ eventl. Rippenbrüche
zu flach gedrückt ‑ keine Wirkung
immer harte gerade Unterlage nehmen.
Das Bewusstsein
Unter Bewusstsein versteht man die Fähigkeit des Hundes zu fühlen, sehen, schmecken, hören und zu riechen. Dieses Bewusstsein kann durch verschiedene Ursachen gestört sein. z.B.
Hirnbedingter Krampfanfall
(Epilepsie, Kopfverletzung, Unfall)
Ursachen:
Erkrankung des Hirn, ehemalige Kopfverletzungen, Tumore, ehemalige Hirnhautentzündung
Erkennen:
Der Hund wird plötzlich bewusstlos, bricht zusammen und schlägt wild mit den Läufen ("rudern"). Zunge und Kiefer bewegen sich unkontrolliert, dadurch eventl. Zungenbiss, evt. Abgang von Stuhl und Urin. Krampfdauer: einige Sekunden bis einige Minuten. Danach ist der Hund evt. einige Zeit bewusstlos, sehr müde und orientierungslos.
Gefahr:
Weitere Verletzungen durch Gegenstände in der Nähe, Bewusstseinstörungen, Zungenbiss
Maßnahmen:
Sofortmaßnahmen: ‑ Gefahrenbereich absichern, d.h. Gegenstände, die den Hund zusätzlich verletzten könnten, aus der Nähe entfernen. Den Hund NICHT festhalten, sondern das Krampfende abwarten, den Hund beruhigen und zum Tierarzt bringen. Beim länger andauernden Krampf wird der Tierarzt Medikamente geben (Diazepam). Um künftigen Krampfanfällen vorzubeugen, kann der Hund durch den Tierarzt medikamentös "eingestellt“ werden. Um einem Zungenbiss vorzubeugen, kann man versuchen, einen weichen (!) Gegenstand (Handtuch) in den Fang, zu legen, ohne die Atemwege zu behindern.
Kopfverletzungen
Ursachen:
Gewalteinwirkungen auf den Kopf, z.B. durch Stürze. Unfälle. Gewalt durch Dritte
Erkennen:
Mögliche Folgen könnten sein: Erbrechen, Schwanken, Bewusstseinsstörungen, Bewusstlosigkeit, Atemstörungen, Atemstillstand, sogar Herzstillstand, oft Blutungen, offene Wunden am Kopf.
Gefahr:
zunehmende Verschlechterung des Zustandes, z.B. durch Blutungen im Schädel,
Maßnahmen:
Bei Bewusstsein: Versorgung der Blutungen ( s. "Verbände"), Kopf etwas erhöht lagern, um den Kopf zu entlasten. Bei Bewusstlosigkeit: s. Schema" Auffinden eines notfallbetroffenen Hundes", Blutstillung
Die Atmung
Bei der Atmung des Hundes wird sauerstoffreiche Luft durch die oberen Atemwege (Fang und Nase) über die Trachea (Luftröhre) in die Lunge geleitet. Hier findet ein Gasaustausch statt. Die roten Blutkörperchen geben C02 ( Kohlendioxid) ab und nehmen O2 (Sauerstoff) auf. Beim Ausatmen des Hundes wird das CO2 (Abbauprodukt der Körperzellen) abgegeben und wieder neuer Sauerstoff beim Einatmen aufgenommen. Die Atmung kann durch verschiedene Ursachen gestört sein, z.B.:
Atemwegsverlegung
Ursachen:
Feste (Speisereste) oder flüssige (Erbrochenes, Blut) Fremdkörper verlegen die oberen Atemwege.
Erkennen:
Atemnot des Hundes, der Hund versucht den Fremdkörper herauszu"würgen", Blaufärbung des Zahn-fleisches, der Hund ist aufgeregt.
Gefahren:
Atemnot bis zum Atemstillstand und Bewusstlosigkeit
Massnahmen:
Entfernen des Fremdkörpers: kleinen Hund an den Hinterläufen hochheben und vorsichtig schütteln. gr. Hund mögl. beim Ausatmen auf den Rücken klopfen. Beim bewusstlosen Hund den Fremdkörper manuell entfernen, d.h. mit der Hand, wenn vorhanden, eine Magill‑Zange (aus der Apotheke) benutzen. flüssige Fremdkörper mit einem Tuch entfernen.
Schwellungen der Atemwege
Ursachen:
lnsektenstiche im Rachenraum Luftröhre oder Zunge; Verätzungen durch Säuren oder Laugen;
Verbrennungen, Allergische Reaktionen
Gefahren:
Atemnot bis Atemstillstand
Erkennen:
zunehmende Atemnot, Blaufärbung des Zahnfleisches
Maßnahmen:
Kühlen von innen und aussen
von aussen: nasse, kalte Umschläge um den Hals, wenn vorhanden, Coolpack verwenden
von innen: Wenn der Hund kein kaltes Wasser trinken will, mit einer grossen Spritze kaltes Wasser in den Rachen spritzen, mehrfach wiederholen und versuchen, die geschwollene Stelle zu treffen. Wenn der Hund mitmacht, kann er auch Eis lutschen. Eiswürfel nimmt er wahrscheinlich nicht, mit Speiseeis geht es auch, das mögen die meisten Hunde. Schnell zum Tierarzt, der dann Medikamente zum Abschwellen verabreichen kann.
Der Kreislauf
Das Blut im Hundekörper ist das Transportmedium für den Sauerstoff, den jede Körperzelle benötigt. Vom linken Herzen wird das sauerstoffreiche Blut zu den Zellen des gesamten Körpers gepumpt. Dort geben die roten Blutkörperchen Sauerstoff ab und nehmen Kohlendioxid auf. Dieses sauerstoffarme Blut wandert weiter zum rechten Herzen und wird von hier in die Lunge gepumpt, dort geben die roten Blutkörperchen das Kohlendioxid ab und nehmen wieder frischen Sauerstoff auf. Jetzt fliesst das sauerstoffreiche Blut wieder zum linken Herzen und wird von hier wieder in den Körper gepumpt. Der normale Herzschlag des gesunden Hundes liegt je nach Rasse und Alter im Ruhezustand bei etwa 80-120 Schlägen pro Minute. Diese Schläge sind als Puls in der Leiste des Hinterlaufes zu fühlen. Der Kreislauf kann durch unterschiedliche Ursachen gestört sein, z. B.:
Schock
Starker Blutverlust, allerg. Reaktionen, Hitzschlag
Beim Schock sind die Organe durch Flüssigkeitsverlust mit Blut und damit mit Sauerstoff unterversorgt.
Ursachen: Blutverlust nach innen oder außen, starker Flüssigkeitsverlust, starkes Erbrechen, starker Durchfall, Austrocknung, Allergien, gr. Verbrennungen, psychische Belastung.
Gefahr:
fortgeschrittener Schock kann lebensbedrohlich werden!
Erkennen:
Schwäche, Herumliegen; schwacher, schneller Puls; blasses Zahnfleisch; schnelle, flache Atmung, (Blutdruck fällt)
Maßnahmen:
Beruhigung, Ursache bekämpfen, schnell zum Tierarzt ( Infusion)
Stromschlag
Ursache:
Stromschläge durch Beissen in ein Kabel, Blitzschlag, feuchte Umgebung, die unter Strom steht.
Erkennen:
Krämpfe, Lähmungen, Bewusstseinstörungen bis zur Bewusstlosigkeit, Atemstörungen bis zum Atemstillstand, Herzrhytmusstörungen bis zum Herzstillstand. Eventl. Verbrennungen an Stromseintritts- und austrittsstelle.
Maßnahmen:
Entfernen der Stromquelle unter absoluter Beachtung des Eigenschutzes (Stecker ziehen, Sicherung ausschalten, mit nichtleitendem Material den Hund von der Stromquelle trennen)!!! Pulskontrolle, Atemkontrolle, Brandwunden versorgen, sonst wie unter "Auffinden eines notfallbetroffenen Hundes"
Tierarzt, auch bei weniger auffälligen Symptomen! EKG
Beinnahe‑Ertrinken
Maßnahmen:
Hund aus dem Wasser holen, Basismassnahmen wie unter "Auffinden eines notfallbetroffenen Hundes". Kleine Hunde an den Hinterläufen hochhalten, um Wasser aus den großen Atemwegen ablaufen zu lassen, versuchen bei großen Hunden den Oberkörper tiefer zu lagern. Tierarzt! Auch später könnte noch ein Lungenödem entstehen.
Hitzschlag
Ursache:
Hund eingesperrt im Auto, keine Trinkmöglichkeit
Massnahmen:
Tier in Schatten legen, bei Bewusstlosigkeit Seitenlage, sonst Kopf erhöht
- Kaltes Wasser – zunächst Gliedmassen von hinten nach vorne!
- Schleimhäute im Fang befeuchten
- Rettungsdecke
- Tierarzt - Kreislaufmittel
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